Rettungsgasse und die Behinderung von hilfeleistenden Personen
Seit dem 30.05.17 ist der neu geschaffene Absatz 2 des § 323c StGB in Kraft, der die „Behinderung von hilfeleistenden Personen“ unter Strafe stellt. Der Tatbestand kann u.a. durch das falsche Verhalten im Zusammenhang mit der Bildung einer Rettungsgasse oder durch die sogenannten „Gaffer“ verwirklicht werden.
Wer sind Gaffer?
Dies sind schaulustige, nicht willkommene Personen, die ein spektakuläres Ereignis z.B. einen schweren Verkehrsunfall beobachten und abwertend als Gaffer bezeichnet werden.
1. Erweiterung § 323c StGB
Neuer Absatz 2
Der neue Tatbestand knüpft damit an die unterlassene Hilfeleistung an und erweitert den Schutz der Personen, die Hilfe benötigen. Es gibt natürlich noch keine Rechtsprechung oder entsprechende Kommentierung, dennoch liefert der Gesetzgeber in seinem Gesetzesentwurf bereits hilfreiche Leitplanken, insbesondere für das Merkmal des „Behinderns“ (Drucksache 18/12153, Seite 6 – IV. zu Nummer 2). Welche Tatbestandmerkmale müssen also erfüllt sein:
1.1 in diesen Situationen (Unglücksfälle, gemeine Gefahr, Not)
Gefordert sind die Situationen aus dem bisherigen Absatz 1. Nachfolgend werden nur die Definitionen dargestellt. Näheres bitte selbst in einem entsprechenden Kommentar nachlesen.
- Unglücksfall ist jedes plötzliche Ereignis, das erheblichen Schaden an Menschen oder Sachen verursacht und weiteren Schaden zu verursachen droht.
- Gemeine Gefahr ist eine Situation gemeint, in der erheblicher Personen- oder Sachschaden für unbestimmt viele Personen droht. Dies kann z. B. durch Überschwemmungen, Wald- oder Gebäudebrände verursacht werden.
- (Gemeine) Not ist eine die Allgemeinheit betreffende allgemeine Notlage. Hierunter fallen z.B. der Ausfall der Trinkwasserversorgung.
1.2 Person, die Hilfe leistet oder leisten will
Es ist unerheblich, ob es sich um einen Passanten, Ersthelfer oder Verkehrsteilnehmer handelt oder Personen, die durch eine Garantenstellung zur Hilfeleistung verpflichtet sind. Der Personenkreis ist bewusst offengehalten. Siehe hierzu ausführlicher unter Ziffer 2, Hintergründe.
Beispiel: Kommen Polizei oder Rettungskräfte an den Einsatzort und es steht ein Meer aus Gaffern um die Unglücksstelle, sodass
- der Ersthelfer oder
- ein hilfswilliger Passant,
- der eintreffende Rettungsdienst,
- die Feuerwehr oder
- die Polizei selbst nicht zur Unglücksstelle durchkommt,
so sind dies alles Personen, die im Sinne der Strafvorschrift behindert werden können.
1.3 behindern
Die Handlung des Behinderns…
Dort werden bereits einige hilfreiche, nicht abschließende, Beispiele aufgezählt. Eine Behinderung liegt vor, wenn
- technisches Gerät beschädigt wird,
- der Weg versperrt wird,
- nicht beiseitegetreten wird,
- die Notfallgasse blockiert wird oder
- Tätigkeit von Ärzten und Krankenhauspersonal in der Notaufnahme beeinträchtigt wird.
In der Praxis dürfte der ausführlichen Begründung der Behinderung die größte Wichtigkeit zukommen.
1.4 Kausalität
Wichtig ist, dass keine Kausalität zwischen dem behindernden Verhalten und dem Gesundheitszustand der Person nachgewiesen werden muss. Bestraft wird die bloße Behinderung der hilfeleistenden Person.
Beispiel aus der Begründung:
2. Wer sich noch weiter einlesen will (Hintergrundinformationen)
Der Gesetzgeber hat die Erweiterung dieser Strafvorschrift bewusst nicht im Kreise der Widerstandsparagraphen §§ 113-115 StGB angesiedelt, wie ursprünglich geplant. Damit hätten ausschließlich Personen aus dem dort genannten Kreis (Polizei, Rettungsdienst, Feuerwehr) behindert werden können und der hilfeleistende Passant wäre nicht „geschützt“ gewesen. Genau darauf kam es dem Gesetzgeber jedoch an.
Eine sehr ausführliche Abhandlung, die z.B. eine treffende Ausführung zum Strafgrund des neuen Absatzes 2 macht und die Abstufung zwischen Absatz 1 und 2 anschaulich darstellt, führt folgendes aus:
Möglicherweise erfolgt in naher Zukunft eine weitere Strafschärfung gegenüber schaulustigem Verhalten. Herr Kubiciel führt abschließend aus, dass der Bundesrat auch eine Erweiterung des § 201a StGB für notwendig erachtet habe, um „die Herstellung und Verbreitung bloßstellender Bildaufnahmen von verstorbenen Personen unter Strafe“ zu stellen und damit das Fotografieren mit dem Smartphone an Unfallstellen einzudämmen. Dieser Forderung ist der Bundestag (bislang) nicht gefolgt.