Grundregeln der Zulassung von Personen zum Straßenverkehr

Gaffer und Schaulustige

In den nächsten zwei Beiträgen befassen wir uns mit den Grundregeln der Zulassung von Personen im Straßenverkehr.

  • Im 1. Teil wird auf die eingeschränkte Zulassung von verkehrsschwachen Personen selbst bzw. verkehrsschwache Personen, die Tiere und fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge führen wollen, eingegangen.
  • Im 2. Teil wird die eingeschränkte Zulassung von Personen besprochen, die fahrerlaubnispflichtige Fahrzeuge führen wollen.

In allen Fällen hat die Fahrerlaubnisbehörde die Möglichkeit, Auflagen und Beschränkungen zu erteilen, wenn Personen aufgrund von körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen nicht mehr in der Lage sind, sich sicher im Verkehr zu bewegen bzw. mit Fahrzeugen sicher am Straßenverkehr teilzunehmen.

1. Grundregel der Zulassung

Geeignete Personen

Zum Verkehr auf öffentlichen Straßen ist jeder zugelassen, soweit nicht für die Zulassung zu einzelnen Verkehrsarten eine Erlaubnis vorgeschrieben ist.

§ 1 FeV

Das Recht der allgemeinen Verkehrsfreiheit steht „jedem“ zu, d.h, Inländer, Ausländer, Kinder und Erwachsene dürfen öffentliche Verkehrsflächen zu Verkehrsvorgängen, wie Gehen, Fahren, Reiten, Halten und Parken nutzen. Jedermann, der eine öffentliche Straße zu einem Verkehrsvorgang nutzt, ist je nach seinem Verhalten aktiver oder passiver Verkehrsteilnehmer.

Aktiver Verkehrsteilnehmer ist, wer sich verkehrserheblich verhält, d.h. körperlich und unmittelbar, aktiv oder durch pflichtwidriges Unterlassen, auf den Ablauf eines Verkehrsvorganges einwirkt, wobei es weder auf den Benutzungszweck noch auf den Benutzungswillen, u.U. nicht einmal auf die Anwesenheit im öffentlichen Verkehrsraum ankommt.

Passiver Verkehrsteilnehmer ist, wer sich zwar im öffentlichen Verkehrsraum aufhält, aber das Verkehrsgeschehen nicht beeinflusst, wie der Fahrgast in einer Straßenbahn oder der untätige Insasse eines Kraftfahrzeugs.

Diese passiven VT können somit auch nicht verantwortlich sein, wenn es zu einem Verkehrsunfall kommt. Der Beifahrer im Pkw ist zunächst passiver Verkehrsteilnehmer, wird jedoch zum aktiven Verkehrsteilnehmer, wenn er aus dem Fahrzeug aussteigt (§ 14 StVO). Dann verhält er sich verkehrserheblich und hat die Vorschriften der StVO zu beachten.

Aktiver Verkehrsteilnehmer ist

  • der Landwirt, der seine Kühe auf die Straße vorauslaufen lässt und sich selbst noch auf der Weide befindet,
  • derjenige, der seinen Pkw parkt, unerheblich ob er sich beim Fahrzeug befindet oder dieses verlassen hat,
  • der Sozius auf einem Kraftrad, da sich seine Gewichtsverlagerung auf die Fahrweise des Fahrers auswirken kann und
  • natürlich auch jeder Fußgänger oder Autofahrer.
  • auch der auf dem Beifahrersitz mitfahrende Halter des Fahrzeugs, wird zum Verkehrsteilnehmer, wenn der Fahrer das Fahrzeug verbotswidrig parkt und die Autoschlüssel dem Halter übergibt. Der Halter ist verpflichtet die verbotene Abstellung des Fahrzeugs zu beseitigen.

Fast alle Vorschriften wenden sich an den aktiven Verkehrsteilnehmer.

  • § 1 StVO: Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass […] u.a. die Schädigung eines Anderen ausgeschlossen ist.
  • § 3 StVO: Wer ein Fahrzeug führt, darf nur so schnell fahren…
  • § 5 StVO: Es ist links zu überholen.
  • § 8 StVO: Wer die Vorfahrt zu beachten hat,…
  • Ausnahme:
    • § 21 a StVO: Vorgeschriebene Sicherheitsgurte müssen während der Fahrt angelegt sein. Angesprochen werden hier der aktive und passive Verkehrsteilnehmer, also alle in einem  Pkw sitzenden Personen. Jeder, der den Gurt nicht anlegt, handelt ordnungswidrig.

Eine Einschränkung der Verkehrsfreiheit besteht beispielsweise für das Führen eines Pkws oder eines Mofas. Die Zulassung zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr setzt hier den Nachweis einer besonderen Erlaubnis in Form des Führerscheins bzw. der Prüfbescheinigung voraus.

2. Eingeschränkte Zulassung bei Beeinträchtigungen

Bedingt geeignete Personen

Wer sich infolge körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen nicht sicher im Verkehr bewegen kann, darf am Verkehr nur teilnehmen, wenn Vorsorge getroffen ist, dass er andere nicht gefährdet.

§ 2 (1) Satz 1 FeV

§ 2 (1) FeV schränkt die allgemeine Verkehrsfreiheit in der Zulassung aus Sicherheitsgründen ein.

Eine Beeinträchtigung ist jedes Fehlen oder jede Minderung einer körperlichen oder geistigen Fähigkeit, die für die sichere Teilnahme am Straßenverkehr bedeutsam ist.

  • Körperliche Beeinträchtigungen sind u.a. Seh- und Hörschwäche, Lähmungen, eingegipste Gliedmaßen.
  • Geistige Beeinträchtigungen sind u.a. Geistesschwäche, Geisteskrankheit, Epilepsie.
  • Körperliche Verfassung aufgrund von Alkohol, Drogen, Medikamente oder Übermüdung.

Für unter Alkoholeinfluss stehende Fußgänger gilt § 2 FeV. Wer mit ca. 2 Promille verkehrsunsicher ist, darf sich nicht im Straßenverkehr bewegen.

Wer übermüdet ist (nicht schon wenn man müde oder schläfrig ist), fährt meist fehlerhaft. Wer die Übermüdung bemerkt, z.B. nach kurzem Schlaf und 8 Stunden Reisezeit i.V.m vermehrtem Gähnen und schweren Augenlidern, muss zumindest eine Pause einlegen oder sogar auf die Weiterfahrt verzichten, da die Gefahr des Einschlafens oder von Fehlreaktionen nicht mehr vermieden werden kann. Bemerkt der Fahrer diese typischen Ermüdungsursachen oder Vorzeichen, handelt er grob fahrlässig, wenn er weiterfährt. Bei langer Fahrt muss der Fahrer der Ermüdung vorbeugen. Dies kann durch Ruhepausen mit Bewegung aber auch durch Lüftung des Fahrzeuginnenraumes geschehen.

Bei vorübergehenden Beeinträchtigungen hängt die Verkehrsteilnahme von der Art und dem Umfang der Beeinträchtigung ab (z. B. eingegipste Hand).

Ausnahme: Wer in geeigneter Weise Vorsorge getroffen hat, dass er andere nicht gefährdet, darf am Verkehr teilnehmen.

Adressat zur Vorsorge

Die Pflicht zur Vorsorge, namentlich durch das Anbringen geeigneter Einrichtungen an Fahrzeugen, durch den Ersatz fehlender Gliedmaßen mittels künstlicher Glieder, durch Begleitung oder durch das Tragen von Abzeichen oder Kennzeichen obliegt dem Verkehrsteilnehmer selbst oder einem für ihn Verantwortlichen.

§ 2 Absatz 1 Satz 2 FeV

Ausgleichsmöglichkeiten

Körperlich Behinderte können ihre Behinderung durch gelbe Armbinden an beiden Armen oder andere geeignete, deutlich sichtbare, gelbe Abzeichen mit drei schwarzen Punkten kenntlich machen. Die Abzeichen dürfen nicht an Fahrzeugen angebracht werden.Wesentlich sehbehinderte Fußgänger können ihre Behinderung durch einen weißen Blindenstock, die Begleitung durch einen Blindenhund im weißem Führgeschirr und gelbe Abzeichen nach Absatz 1 kenntlich machen.

§ 2 Absatz 2 FeV

Beeinträchtigungen vorübergehender Art, die nicht ausgeglichen werden können, oder Beeinträchtigungen endgültiger Art, die nicht behoben werden können, führen je nach Art der Verkehrsteilnahme zu einem Verkehrsverbot. So kann ein Verkehrsteilnehmer mit einem Gehgips durchaus als Fußgänger am Verkehr teilnehmen. Will er jedoch ein Kraftfahrzeug oder Fahrzeug führen, kann dies zu einem Verkehrsverbot führen.

Art und Ausmaß der erforderlichen Vorsorgemaßnahme richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles. Als Vorsorgemaßnahmen können die Benutzung von Prothesen, die Begleitung durch eine Hilfsperson oder zusätzliche technische Einrichtungen an Fahrzeugen bzw. Kraftfahrzeugen in Betracht kommen.

2.1 Ahndung

Der Tatbestand des § 2 FeV ist erfüllt, wenn die verkehrsuntüchtige Person am Verkehr teilnimmt; ein konkreter Erfolg muss nicht eingetreten sein („abstrakter Tatbestand“). Ordnungswidrig im Sinne der §§ 2, 75 FeV handelt, wer am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt, ohne in geeigneter Weise Vorsorge getroffen zu haben, dass er andere nicht gefährdet; jemanden am Verkehr teilnehmen lässt, ohne als für ihn Verantwortlicher in geeigneter Weise Vorsorge getroffen zu haben, dass er andere nicht gefährdet; gegen Abs. 3 verstößt.

2.2 Anmerkung

§ 2 FeV findet keine Anwendung bei Fahrzeug- und Kraftfahrzeugführern, die unter Alkoholeinwirkung stehen, da speziellere Vorschriften (§§ 24a, 24c StVG, 315c, 316 StGB, und § 8 BO Kraft) zu beachten sind. § 31 (1) StVZO fordert, dass der Fahrzeugführer zur selbständigen Leitung geeignet sein muss. Berührungspunkte zu § 2 FeV sind erkennbar.

Nimmt ein Fahrzeugführer mit einer körperlichen, aber ausgleichbaren Beeinträchtigung am Straßenverkehr teil, verstößt er lediglich gegen § 2 FeV, da § 31 (1) StVZO die Pflicht zum Mangelausgleich nicht beinhaltet.

Handelt es sich um einen nicht ausgleichbaren Mangel (z.B. Übermüdung), dann sind § 2 FeV und § 31 (1) StVZO anwendbar, da sie insoweit deckungsgleich sind. (Tateinheitlicher Verstoß)

Ein Fahrzeugführer, der am Straßenverkehr teilnimmt, obwohl er infolge einer geistiger oder körperlicher Beeinträchtigung nicht in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher zu führen und gefährdet er dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert, dann erfüllt er den Tatbestand des § 315c (1) Nr. 1b StGB.

2.3 Beispiel

In Göppingen befahren sie die Goethestraße stadtauswärts. Vor ihnen bemerken sie einen Radfahrer, der sehr langsam und unsicher unterwegs ist. Als sie näher heranfahren, muss er fast vom Fahrrad absteigen, da er mit dem rechten Fuß vom Pedal abrutscht. Aufgrund dieser Tatsachen entschließen sie sich den Radfahrer zu überprüfen. Bei der Kontrolle stellen sie fest, dass er an seinem rechten Fuß einen Gehgips hat und dies auch der Grund dafür ist, dass er keinen sicheren Halt auf dem Pedal hatte.

Ergebnis: Der Fahrer kann sich auf Grund einer körperlichen Beeinträchtigung nicht sicher im Verkehr bewegen. Somit hätte er auf die Verkehrsteilnahme verzichten müssen, da eine körperliche Beeinträchtigung vorliegt und seine körperlichen Fähigkeiten zumindest eingeschränkt sind. Es genügt die Teilnahme am Straßenverkehr mit der Gefährdungsmöglichkeit anderer. Ein konkreter Erfolg muss nicht eingetreten sein (abstrakter Tatbestand). Einer schwierigen Verkehrssituation kann der Fahrer vermutlich nicht gerecht werden, was er durch sein Fahrverhalten bewiesen hat.

Verkehrsordnungswidrigkeiten i.S.d. §§ 2, 75 FeV, 24 StVG.

3. Entzug der Zulassung

Einschränkung und Entziehung der Zulassung

Erweist sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren, hat die Fahrerlaubnisbehörde ihm das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Nach der Untersagung, auf öffentlichen Straßen ein Mofa nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nummer 1 oder ein Kraftfahrzeug nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nummer 1b zu führen, ist die Prüfbescheinigung nach § 5 Abs. 4 Satz 1 unverzüglich der entscheidenden Behörde abzuliefern oder bei Beschränkungen oder Auflagen zur Eintragung vorzulegen. Die Verpflichtung zur Ablieferung oder Vorlage der Prüfbescheinigung besteht auch, wenn die Entscheidung angefochten worden ist, die zuständige Behörde jedoch die sofortige Vollziehung ihrer Verfügung angeordnet hat. Diese Vorschrift verpflichtet die Behörde, nach Kenntniserlangung gegen ungeeignete Verkehrsteilnehmer einzuschreiten. Sie hat die Möglichkeit, ein ärztliches Gutachten anzufordern und, je nach dessen Ergebnis, Auflagen zu erteilen oder die Benutzung bestimmter Verkehrsarten gänzlich zu verbieten.

§ 3 Absatz 1 FeV

Angesprochen (Adressaten) sind Führer von

  • Tieren (Hunde, Pferde)
  • fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen wie
  • Fahrräder,
  • Pedelecs,
  • Fuhrwerke,
  • Fahrzeuge nach § 4 (1) FeV, dies sind
    • Nr. 1    Mofas bis 25 km/h bbH
    • Nr. 1a   Elektrokleinstfahrzeuge von 6 bis 20 Km/h bbH (Roller, Segway)
    • Nr. 1b   Zwei- und dreirädrige KKR bis 25 km/h bbH
    • Nr. 2    Krankenfahrstühlen bis 15 km/h bbH 
    • Nr. 3    Land- oder forstwirtschaftliche Zugmaschinen, Stapler und Flurförderzeuge bis 6 km/h bbH einachsigen Zug- oder Arbeitsmaschinen, die von Fußgängern an Holmen geführt werden.
  • Leichtmofas nach der Leichtmofaausnahmeverordnung bis 20 km/h bbH

Ungeeignetheit

Rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist, finden die Vorschriften der §§ 11 bis 14 entsprechend Anwendung.

§ 3 Absatz 2 FeV

Die Untersagung zum Führen von Fahrrädern wegen der Wiederholungsgefahr des Fahrens im Zustand alkoholbedingter Fahrunsicherheit erfolgt aufgrund von § 3 (1) FeV durch die Behörde. Natürlich wird dieses Verhalten je nach Sachlage nach § 316 oder § 315c StGB verfolgt.

Der § 3 FeV ist nicht anwendbar auf Fußgänger oder Fahrzeuge nach § 24 StVO, da dies besondere Fortbewegungsmittel sind und die Vorschriften über den Fußgängerverkehr anzuwenden sind.

3.1 Ahndung

Wer gegen Auflagen oder der Untersagung verstößt, handelt ordnungswidrig i.S.d. §§ 3, 75 FeV.

Der § 3 FeV hat in der Praxis nur noch untergeordnete Bedeutung, da die Einschränkung der Fahrerlaubnis für den Fahrerlaubnisbewerber in § 23 (2) FeV und den Fahrerlaubnisinhaber in § 46 (2) FeV geregelt ist. Danach kann die Verwaltungsbehörde dem Führerscheinbewerber oder Inhaber einer Fahrerlaubnis der nur bedingt geeignet ist, die Fahrerlaubnis mit einer Auflage oder Beschränkung versehen.

Dies wird im 2. Teil des Beitrages beleuchtet.