Blutentnahme: Abschaffung Richtervorbehalt bei Verkehrsdelikten
Der richterliche Vorbehalt für die Anordnung der Blutentnahme nach § 81a Absatz 2 StPO zur Feststellung der Blutalkoholkonzentration bei Verkehrsdelikten wurde abgeschafft. Weitersagen!
1. Abschaffung des Richtervorbehalts
Mit dem „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ kann die Blutentnahme ab sofort standardmäßig, ohne Begründung von Gefahr im Verzug, durch die Staatsanwaltschaft oder den Polizeibeamten angeordnet werden. Ein richterlicher Beschluss ist nicht mehr notwendig.
Dies betrifft die folgenden Straftaten und Ordnungswidrigkeiten:
- § 315a Absatz 1 Nr. 1, Absatz 2 und 3 StGB
– Gefährdung des Bahn-, Schiffs- und Luftverkehr - § 315c Absatz 1 Nr. 1a StGB
– Gefährdung des Straßenverkehrs infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel, - § 316 StGB
– Trunkenheit im Verkehr, - § 24a StVG
– 0,5 Promille-Grenze, - § 24c StVG
– Alkoholverbot für Fahranfänger und Fahranfängerinnen.
Die Änderung wurde am 23.08.2017 verkündet und trat somit am 24.08.2017 in Kraft.
2. Anordnung
Es stellt sich die Frage: Darf der Polizeibeamte die Blutentnahme somit selbst anordnen oder muss er weiterhin die Staatsanwaltschaft einschalten, um diese einzuholen?
Die Anordnung durch die Staatsanwaltschaft würde nicht der Praxis entsprechen und nicht zu einem effektiveren und praxistauglicheren Verfahren führen. Denn diese Verfahrensweise würde die Kompetenz nur eine Ebene tiefer, vom Richter auf die Staatsanwaltschaft verlagern. Dennoch…
Die Literatur (z.B. Hentschel zu § 81a StPO, Rz. 5) und Rechtsprechung gehen einerseits davon aus, dass sich auf der Stufe „Staatsanwaltschaft und ihren Ermittlungspersonen“ kein Anordnungsvorrang der Staatsanwaltschaft vor den Polizeibeamten ableiten lässt.
Anderseits gibt es aber auch entgegenstehende Ansätze, die entweder eine Gefahr im Verzug-Regelung zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei sehen oder zumindest die ausdrückliche Übertragung der Anordnungsbefugnis durch die Staatsanwaltschaft auf die Polizei in Form einer „allgemeinen Weisung“ für notwendig erachten.
Wer sich hier weiter einlesen will, sehr gut und ausführlich durch Herrn Dr. Thomas Kreuz in der KriPoZ, Ausgabe 3/ 2017, dargestellt (Ziffer VIII).
3. Hintergründe der Abschaffung
Die Blutentnahme ist eine Standardmaßnahme zur Strafverfolgung bei alkoholisierten Fahrzeugführern. Dennoch stand die Blutentnahme gem. § 81a StPO (bei Ordnungswidrigkeiten i.V.m. § 46 Absatz 4 OWiG) bislang unter Richtervorbehalt. Dieser machte es notwendig, dass Richter – üblicherweise zur Nachtzeit – angerufen werden müssen, um der Polizei über die Staatsanwaltschaft eine Blutentnahme anzuordnen, die als Maßnahme ohnehin bereits feststeht.
Hier setzt der Gesetzgeber an, strafft die Abläufe und will die Justiz entlasten, indem die Staatsanwaltschaft oder der Polizeibeamte eine Blutentnahme bei den o.g. Delikten anordnen darf.
Änderungen im § 81a StPO und § 46 OWiG
Folgende Änderungen an der StPO und dem OWiG werden vorgenommen:
§ 81a Absatz 2 Satz 1 StPO
Dem Satz 1 wird folgender Satz 2 angehängt:
§ 46 Absatz 4 Satz 1 OWiG
Dem Satz 1 wird folgender Satz 2 angehängt:
4. Geht es mit der Atemalkoholmessung weiter?
Man kann hoffen, dass in naher Zukunft auch bei der Gerichtsverwertbarkeit von Atemalkoholmessungen im Strafverfahren angesetzt wird. Die Geräte zur Messung der Atemalkoholkonzentration sind in der heutigen Zeit derart genau, dass diese im Ordnungswidrigkeitenverfahren bereits zugelassen sind. Warum nicht auch im Strafverfahren?
Eine Frage, mit der sich der 54. Verkehrsgerichtstag bereits 2016 auseinandersetzte (Arbeitskreis I, Nr. 2-4). Damals wurde der Zulassung mangels wissenschaftlicher Erkenntnisse keine Empfehlung ausgesprochen.