Sondernutzung, Gemeingebrauch – mit Fällen erklärt

Der Verkehrszweck ist entscheidend

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Werbung, Deichsel und Reifen befestigt, quer zur Fahrtrichtung – reiner Werbezweck!

Da ich im „Schwabenländle“ beheimatet bin, beziehe ich mich auf das Straßengesetz Baden-Württemberg und das Bundesfernstraßengesetz. Die nachfolgenden Ausführungen finden aber auch auf die übrigen Straßengesetze der Länder Anwendung.

Im gezeigten Bild ist der Verkehrszweck offensichtlich in den Hintergrund getreten. Der Anhänger wird als Werbefläche benutzt, dem Anschein nach auch nicht bewegt und somit nicht zu Verkehrszwecken genutzt.

Verkehrsflächen erhalten durch Widmung (Verwaltungsakt des Staates) die Eigenschaft z.B. einer Bundesstraße, d.h., sie werden dem allgemeinen Verkehr zur verkehrsüblichen Nutzung überlassen.§ 2 FStrG, § 5 StrG BW (sinngemäß)
Durch die Widmung wird der Gemeingebrauch eröffnet, sodass jedermann die Benutzung der Verkehrsflächen im Rahmen der Widmung und der verkehrsbehördlichen Vorschriften (Gemeingebrauch) gestattet ist.§ 7 FStrG, § 13 StrG BW (sinngemäß)

Gemeingebrauch

Darunter versteht man, dass jedermann die Straße ohne Rücksicht auf seine Gemeinde- oder Staatsangehörigkeit im Rahmen der Widmung und der Verkehrsvorschriften innerhalb der verkehrsüblichen Grenzen benutzen darf.

Einschränkung des Gemeingebrauchs

Die Verkehrsbehörde hat die Möglichkeit, die Benutzung bestimmter Verkehrsflächen zu untersagen bzw. nur für bestimmte Verkehrsarten zuzulassen.

Gesteigerter Gemeingebrauch oder Anliegergebrauch

Anwohner einer Straße, müssen diese über den Gemeingebrauch hinweg zu bestimmten Zwecken, wie z.B. Abstellen von Mülleimern auf dem Gehweg oder das Bereitstellen von Sperrmüll benutzen dürfen, da sie darauf angewiesen sind.

Sondernutzung

Kein Gemeingebrauch liegt vor, wenn eine Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken genutzt wird. Die sogenannte „Sondernutzung“ ist erlaubnispflichtig.§ 8 FStrG, § 16 StrG BW (sinngemäß)
Zur Beurteilung kann also gesagt werden:

Stellt der Verkehr im Sinne der Fortbewegung den Hauptzweck dar und es kommt ein untergeordneter Nebenzweck hinzu (Werbung am Fahrzeug, Verkauf als Haus-zu-Haus-Belieferung, Übernachten im Wohnmobil), so bewegen wir uns im Rahmen der Widmung.

Wird der oben dargestellte Nebenzweck zum Hauptzweck und die Fortbewegung steht nicht mehr im Vordergrund, liegt eine Sondernutzung vor.

Beispiele:

Das stationäre Aufstellen von Verkaufsständen oder Stühlen und Tischen vor einem Café in der Fußgängerzone oder
Werbung an einem Pkw-Anhänger, der offensichtlich keine Transportmöglichkeit bietet und über Tage im öVR abgestellt wird (wie oben abgebildet).

Diese aufgeführten Beispiele sind Sondernutzungen und bedürfen einer Erlaubnis. Diese ist bei der zuständigen Straßenbaubehörde zu beantragen.

Kommunikativer Verkehr

Die Rechtsprechung musste sich damit befassen, wie die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) und das Kommunikationsbedürfnis (Art. 8 GG) in Einklang mit dem Begriff „Gemeingebrauch“ zu bringen sind.

So hat das OLG Stuttgart entschieden, dass sich der Widmungszweck beim innerörtlichen Verkehr nicht nur auf das Fortbewegen oder umständehalber Stehenbleiben begrenzt, sondern auch den Meinungsaustausch beinhaltet.

Die Grenzen ergeben sich dort, wo gewerbliche Interessen im Vordergrund stehen und nicht mehr der Meinungsaustausch.

Verschiedene Fallkonstellationen

a) Betteln

ist keine Sondernutzung. Verhält sich der Bettelnde ruhig und spricht auch niemanden an, so ist dies durch den Gemeingebrauch gedeckt.
Jedoch ist zu beachten, dass ein aggressives Betteln eine Störung der öffentlichen Ordnung i.S.d. PolG darstellen kann und ein Einschreiten z.B. nach den §§ 1, 3 PolG BW notwendig ist.

b) Informationsstände

Das Aufstellen von Info-Ständen, Dreieckständern oder Plakattafeln ist eine erlaubnispflichtige Sondernutzung.

c) Lautsprecher­benutzung

Nach § 33 (1) Nr. 1 StVO ist der Betrieb von Lautsprechern, auch Handlautsprecher ist verboten. Eine Ausnahmegenehmigung nach § 46 (1) Nr. 9 StVO kann erteilt werden.

Beachte:
Einer Erlaubnis bedarf es nicht, wenn eine durchzuführende Versammlung ohne den Betrieb von Lautsprechern nicht möglich ist. Die Vorschriften der StVO werden durch die des Versammlungsrechts verdrängt.

d) Flugblattverteilung

Das Verteilen von Flugblättern und Informationsschriften ist keine Sondernutzung, wenn die Verkehrsvorschriften beachtet werden.
Werden Passanten durch den Flugblattverteiler bedrängt oder gegen ihren Willen ins Gespräch verwickelt, liegt kein Gemeingebrauch mehr vor, sondern eine genehmigungspflichtige Sondernutzung.

e) Straßenmusik

Will ein Musiker durch Gesang seine Meinung kundtun und die Passanten zur Diskussion animieren, fällt dies unter den Gemeingebrauch.
Sondernutzung liegt jedoch vor, wenn der Musiker zum Zwecke des Geldverdienens spielt, z.B. einen „Hut“ vor sich hinstellt, um die Passanten zum Spenden zu animieren.

f) Straßenmalerei

ist grundsätzlich eine erlaubnispflichte Sondernutzung. Ausnahmen können durch die Behörden für Gemeindestraßen nach § 16 (7) StrG BW erteilt werden.

g) Bauchladen

Verhält sich der Verkäufer wie ein Fußgänger, so liegt sein Tun im Rahmen des Gemeingebrauchs.
Im Gegenzug heißt dies, würde er eine längere Zeit an einem für ihn günstigen Ort (viel Publikumsverkehr) seine Waren anbieten, läge eine Sondernutzung vor.

h) Bierbike

Es handelt sich um ein Fahrzeug mit Rundumtheke, das von bis zu 20 Personen benutzt werden kann und auch von allen Personen über Pedale, wie beim Fahrrad fortbewegt wird. Der Betrieb dieses Bierbikes ist eine erlaubnispflichtige Sondernutzung. – Mit einer möglichen Trunkenheitsfahrt beim Bierbike haben wir uns hier nochmal ausführlich beschäftigt.

Beachte:
Alle Personen die in die Pedale treten, sind Fahrzeugführer i.S.d. §§ 316 StGB.

i) Anhänger als Werbeträger

Wird der Anhänger im öffentlichen Verkehrsraum zu Werbezwecken geparkt (abgestellt), liegt ebenfalls eine Sondernutzung vor.

j) Abgestellter Pkw

Von einem abgestellten Fahrzeug spricht man, wenn es stillgelegt wurde und somit nicht mehr am Verkehr teilnehmen kann. In diesem Fall ist kein Kennzeichen vorhanden.
Es gibt auch die Fälle, dass sich ein Kennzeichen am Fahrzeug befindet, jedoch der Stempel der Zulassungsbehörde fehlt. Auch in diesem Fall muss davon ausgegangen werden, dass das Fahrzeug stillgelegt wurde und somit Sondernutzung vorliegt.

Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang auch § 32 (1) StVO, welche u.U. verwirklicht wird.